Lautsprecherwahl und Gehäusebau – ein kleiner Leitfaden

Hallo zusammen

ich habe mich früher hobbymäßig mit Lautsprechbau beschäftigt, das Hobby ist durch den Nachwuchs aber eingeschlafen. Umso mehr habe ich mich gefreut, mit dem ESPuino einen neuen Anlass gefunden habe :smiley:

Da es hier im Forum und im Nachbarforum relativ wenig dazu gibt (ich habe hauptsächlich 3 Threads gefunden: diesen allgemeineren, diesen schon etwas technischeren und diesen doch etwas kürzeren Post gefunden), fasse ich im Folgenden kurz ein paar Tipps zusammen, die vielleicht einigen beim Einstieg eine Orientierung geben. Natürlich ohne Anspruch auf Vollständigkeit und nach bestem Wissen und Gewissen.

Vorbemerkungen

Grundsätzlich unterscheidet sich der Einsatzzweck der meisten ESPuinos von dem von HiFi-Boxen natürlich stark. Bei Letzteren geht es meist darum, eine möglichst lineare Wiedergabe der Frequenzen zwischen 20Hz und 20kHz zu ermöglichen, bei einer möglichst großen Pegelfestigkeit. Bei der Wiedergabe von Hörbüchern hingegen ist vor allem der Mitteltonbereich interessant (150-2.000Hz, hier findet sich eine Erläuterung des hörbaren Frequenzbereichs) und für das Sprachverständnis wichtig. Kinder hören übrigens ein größeres Spektrum (ca. 20Hz-20kHz), bei Erwachsenen sinkt die obere Grenze stetig. Außerdem gibt der ESPuino 0,85W aus und unterfordert damit vermutlich fast alle Lautsprecher, die es gibt. Als Partybeschallung ist er also sowieso weder geeignet noch gedacht :wink: Nicht zuletzt wird meist Mono ausgegeben, und selbst bei zwei Lautsprechern ist der Abstand derselben doch sehr gering und damit eine HiFi-Wiedergabe nicht möglich.

Weiterhin Spielen sowohl Preis als auch Optik bei den meisten ESPuinos eine größere Rolle als der Wiedergabetreue. Wer also möglichst wenig Geld ausgeben möchte, klare Designvorstellungen (inkl. Formfaktor) hat und/oder das Gerät ausschließlich für die Kinder und zum Abspielen von Hörbüchern hat, der muss sich meiner Meinung nach keine Gedanken um die akustische Optimierung machen. Die Allgemeinen Hinweise (siehe nächster Post) schaden hier aber auch sicher nicht und kosten auch nichts.

Wer Spaß am Basteln hat, das Gerät ab und an zur Musikwiedergabe nutzt, auch selbst etwas mehr damit hören möchte, ein paar € im Budget übrig hat und ein etwas größeres Gehäuse in Kauf nehmen kann, für diejenigen lohnt sich die Lektüre zur Chassieauswahl und zum Gehäusebau (Theorie und Praxis) vielleicht.

Bei wem die Ohren schon mit HiFi-Boxen „versaut“ sind, der ESPuino akustisch over-engineered werden soll und Geld keine große Rolle spielt, der findet im weiteren Tuning noch ein paar Anregungen.

Ich trenne das bewusst, da es sich dann im Nachgang vielleicht gezielter verlinken lässt. Das Geschriebene gilt natürlich genau so auch für den TonUINO. Wenn hier jemand in dem Forum auch aktiv ist, kann der Beitrag bei Interesse auch gern verlinkt/übernommen werden.

Außerdem versuche ich Fragen gern zu beantworten, sowohl spezifisch (PN) als auch allgemeiner hier im Thread.

Viele Grüße

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Allgemeine Hinweise

Wenn der Anspruch an die Wiedergabe untergeordnet ist, kann einfach irgendein (Breitband-)Lautsprecher in irgendein Gehäuse eingesetzt werden. Auch Lautsprecher aus alten Boxen eignen sich hier. Wenn es mehrere Lautsprecher sind einfach die Frequenzweiche mit in den ESPuino packen und fertig. Oder es werden einfach die quasi-„Standard“-Visaton-Lautsprecher verwendet. Der Frequenzbereich wird bei geschlossenen Boxen dann ab ca. 150/200Hz starten.

Unabhängig von der Wahl des Gehäuses und des Lautsprechers können folgende, recht einfachen Punkte den Hörgenuss schon deutlich verbessern:

  • Ein ordentlich abgedichtetes Gehäuseinneres
  • Fixierung aller in der Box befindlichen Teile

Durch jede Undichtigkeit dringen Schallwellen aus dem Inneren. Das führt zu unerwünschten Interferenzen und Phasenauslöschungen, die die Klangqualität beeinträchtigen. Durch eine gute Abdichtung wird sichergestellt, dass der Schall nur durch den vorgesehenen Schallaustritt aus der Box gelangt und unerwünschte Einflüsse minimiert werden. Eine abgedichtete Box ermöglicht auch eine präzisere Basswiedergabe.
Alle Teile innerhalb der Box sollten gut fixiert werden, um unerwünschte Vibrationen und Resonanzen zu verhindern. Wenn die Teile locker oder nicht richtig befestigt sind, können sie im Betrieb schwingen und klappern. Dies führt zu Verzerrungen und beeinträchtigt die Klangqualität. Eine sichere Befestigung der Komponenten minimiert unerwünschte Nebengeräusche.

Wer die Schallwandlung an sich verstehen möchte, der findet hier die grundlegende Funktion von Lautsprechern ganz gut erklärt.

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Lautsprecherarten (Chassis sowie Gehäuseaufbau)

Lautsprecherprinzipe

Es gibt unterschiedliche Prinzipe, nach denen Lautsprecher konstruiert werden können, und die ich für einen ESPuino als mögliches Gehäuse sehe (mit aufsteigendem Aufwand in Berechnung und Umsetzung):

  • Geschlossene Box: Bei einer geschlossenen Lautsprecherbox ist der Lautsprecher vollständig abgedichtet. Der Schall wird nur nach vorne abgestrahlt und es gibt keine Öffnungen oder Reflexrohre. Dieses Prinzip bietet eine präzise und kontrollierte Klangwiedergabe, insbesondere im Bassbereich. Ermöglicht kleine Gehäuse, jedoch mit eingeschränkter Basswiedergabe. Für den ESPuino bedeutet das in den allermeisten Fällen eine maximale untere Grenzfrequenz von ca. 150Hz. Ohne Vorüberlegungen oft auch über 200Hz.
  • Bassreflexbox: Diese Lautsprecherboxen haben eine spezielle Öffnung, das Bassreflexrohr oder den Bassreflexkanal. Durch die Öffnung wird ein Teil des Schalls nach außen abgestrahlt, während der Rest des Schalls nach vorne abgestrahlt wird. Das Bassreflexprinzip ermöglicht eine verbesserte Basswiedergabe und erhöht die Effizienz des Lautsprechers. Bei ESPuino-verträglichen Gehäusegrößen von 2-5l kann hier eine untere Grenzfrequenz von 70-80Hz erreicht werden. Im Vergleich zur geschlossenen Box also gern mal eine Oktave mehr(eine Oktave ist je nach Startfrequenz eine Verdopplung der Frequenz)
  • Transmissionslinie: Hier wird der Schall durch einen langen, gefalteten Kanal geleitet, bevor er nach vorne abgestrahlt wird. Dieses Prinzip ermöglicht eine präzise Basswiedergabe und eine erweiterte tiefere Frequenzwiedergabe. Hier sind ähnlich tiefe Frequenzen wie bei der Bassreflexbox möglich, der Aufwand ist aber größer.

Daneben gibt es noch Hornlautsprecher, Dipole, offene Schallwände, … Für den ESPuino aber uninteressant.

Anzahl Chassis

Neben diesen Prinzipen unterscheiden sich Lautsprecherboxen auch darin, von wie vielen Chassis der Frequenzbereich abgedeckt wird. Hier können Einweg- und Mehrwegsysteme unterschieden werden (ähnlich wie im Getränkehandel :wink:).

Bei Einwegsystemen wird der komplette Frequenzbereich von einem Breitbandlautsprecher abgedeckt. Es braucht keine Frequenzweichen (die den unterschiedlichen Chassis die richtigen Frequenzbereiche zuordnen) und nicht zwingend Korrekturschaltungen. Da aber sowohl große als auch kleine Wellenlängen erzeugt werden müssen, sind Breitbänder im HiFi-Bereich selten alleine anzutreffen. Für den ESPuino sind sie aber nahezu prädestiniert, und auch die viel verwendeten Visaton-Chassis sind Breitbänder.

Mehrwegsysteme teilen den Frequenzbereich auf unterschiedliche Lautsprecher auf. Dabei gibt es 2-|2,5-|3- und noch-mehr-Wegsysteme. Damit ist oft eine präzisere Wiedergabe über den Frequenzbereich möglich. Der Aufwand für Frequenzweiche und der Platzbedarf steigt aber, weshalb das für den ESPuino eher irrelevant ist.

Eine Sonderform sind Koaxialchassis. Hier wird der Hochtöner im akustischen Zentrum (also der Mitte) eines Tiefmitteltöners platziert, womit nur Platz für ein Chassis benötigt wird, aber auch schon eine Frequenzweiche.

Dämmung/Dämpfung

Die Dämmung von Lautsprechern zielt darauf ab, die Schallreflexion zu minimieren und unerwünschte Geräusche zu reduzieren. Das kann ganz einfach erreicht werden, in dem das Gehäuse mit Dämmwolle (gibt es als nicht-brennbare Kunststoffwolle, Schafwolle eignet sich grundsätzlich auch) gefüllt wird. Bei Bassreflexboxen erhöht Dämmwolle das effektive Boxenvolumen. Die Dämpfung zielt hingegen darauf ab, Schwingungen und Resonanzen zu kontrollieren und unerwünschte Vibrationen zu minimieren. Gedämpft wird also hauptsächlich an Lautsprecherwänden, gedämmt im Hohlraum. Die Dämpfung ist für den ESPuino aus meiner Sicht irrelevant.

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Lautsprecherauswahl und Gehäuseberechnung

Lautsprecherwahl

Bei der Wahl der Chassis gibt es zwei Möglichkeiten: Neukauf oder Recyclen vorhandener Chassis.

Zum Neukauf hat Thorsten im TonUINO-Forum eine Antwort vom Visaton-Hersteller gepostet. Daraus geht hervor, welche Visaton-Chassis laut dem Hersteller eine gute Wahl sind (es ist der FRS 5X – 8Ohm). Eine bessere Übersicht von Chassis verschiedener Hersteller bietet z.B. der Lautsprechershop. Hier können verschiedene Suchparameter eingegeben werden. Natürlich spielt gerade hier der Preis eine entscheidende Rolle, die meisten guten Lautsprecher sind schlicht zu teuer für ein ESPuino-Projekt (zumindest für die meisten Budgets). 4Ohm-sind lauter (geringere gemittelte Impedanz über den Frequenzbereich) als 8Ohm-Lautsprecher, und zwar um 3dB (bei sonst gleichen Werten). 3dB entspricht der Lautstärke einer Verdopplung der Schallquellen (10dB Unterschied wird übrigens als Verdopplung der Lautstärke wahrgenommen). Die meisten Chassis liegen im Schalldruckpegel zwischen 85 und 90dB bei einem Watt Verstärkerleistung. Hier ist eine Tabelle, die das in Relation setzt. 85dB sind demnach schon „unangenehm, bei längerer Einwirkung Gehörschaden“. Die Lautstärke sollte also für Kinderzimmer nahezu unabhängig vom Chassis reichen :wink: Alternativen zu dem Visaton-Chassis sind zum Beispiel der TangBand W3-315 (kostet aber auch schon ca.40,-€).

Recyclen

Das recyclen ist immer eine Alternative, mit der man alten Lautsprechern neues Leben einhauchen kann. Idealerweise wird einfach das alte Gehäuse übernommen, weil sich die Menschen, die das gebaut haben, idealerweise etwas dabei gedacht haben. Also einfach Box auf, Technik rein, und wieder zu :smiley:
Wenn nur die Chassis genutzt werden sollen, da der Rest kaputt oder zu groß, wird es etwas komplexer. Dafür müssen nämlich zuerst die Lautsprecherparameter ermittelt werden, die jeder Berechnung zugrunde liegen. Das geht bspw. mit so einem Gerät. Das Gerät habe ich da und kann gern auch auf Anfrage per PN Chassis einmessen, dadurch entstehen aber natürlich allein schon Versandkosten von 10,-€. Wird also vermutlich eher die Ausnahme sein.

Gehäuseberechnung

Am Einfachsten und hinreichend genau geht das mit den Tools von der oben schon verlinkten Seite des Lautsprechershops, jeweils für geschlossene Gehäuse, Bassreflexgehäuse (und auch Transmissionslinien). Hier einfach die Werte aus dem Datenblatt eintragen und schon gibt es einen Anhaltspunkt. Das angegeben Volumen ist übrigens exklusive Technik und Lautsprechermagnet, es kann also pauschal nochmal 0,2-0,3l abgezogen werden von dem Innenvolumen. Welche Form das Gehäuse hat ist dann aber egal. Genauer wird es mit den beiden kostenlosen Tools WinISD oder BoxSIM (leider beide nur für Windows), wobei hier dann auch die Komplexität steigt. Hier kann ich bei Bedarf nochmal gesondert Einblick geben, oder auch einfache Berechnungen auf Anfrage schnell selber beisteuern.

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Weiteres Tuning

Wem das noch nicht reicht, dem steht die ganze Welt des digitalen sowie analogen Sound-Processing zur Verfügung. Grundlage dafür ist dann eigentlich immer eine Frequenzmessung des Lautsprechers in dem Gehäuse. Das Geht super mithilfe eines miniDSP-Mikrofons und der kostenlosen Software Room EQ Wizard (REW). Mithilfe der Messung können dann Membran- oder Gehäuseresonanzen über analoge Sperr- oder Schwingkreise (auch hier gibt es Berechnungstools) oder mittels eines DSPs eliminiert werden.

Beides schreibe ich aber nur zur Vollständigkeit. Ich habe keine Ahnung, ob der ESPuino das digitale Signal auswirft, außerdem bräuchte es danach einen Verstärker. Beides wäre Overkill und nur für Projekte interessant, bei denen der ESPuino als Basis für eine High-End-Boombox (mit großem Budget :‘D) dienen soll.

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Wichtig ist beim ESPuino aus meiner Sicht noch, dass man einen Lautsprecher mit gutem mittlerer Schalldruckpegel wählt. Da wir ja ca. 1Watt zur Verfügung haben, weil der Verstärker nur mit 3,3V anstatt 5V versorgt wird.

Ein 90 dB Lautsprecher wird bei gleicher Leistungszufuhr doppelt so laut wahrgenommen, wie eine 80 dB Box. Ein anderer interessanter Zusammenhang: Um einen 80 dB Lautsprecher genauso laut zum Klingen zu bringen, wie einen mit 90 dB Wirkungsgrad, benötigt man eine 10-fach höhere Leistungszufuhr.Quelle

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Hier würde ich noch ergänzen, dass man mit einer Bedämpfung das Volumen virtuell erhöhen kann. D.h. das Gehäuse kann kleiner gewählt werden, bei gleicher Gesamtgüte. Alles hat aber auch eine Kehrseite - der Wirkungsgrad der Box wird sinken

Da würde ich einfach den Test empfehlen. Zum Bedämpfen eignet sich eigentlich alles (zur Not auch erst mal ein T-Shirt). In der DDR war das gepresster Scheuerlappen. Ich habe auch schon Vergleichsmessungen zwischen Ikeakissenfüllung und den Visatonmatten gesehen - das Ergebnis war identisch.

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